«An der 2. Etappe festzuhalten, ist eine Zwängerei»

Bernhard Schmidt ist Präsident des Initiativkomitees «Stoppt die Limmattalbahn – ab Schlieren». Mit der Volksinitiative will er das Ergebnis der Abstimmung über die Limmattalbahn vom November 2015 wenigstens noch teilweise korrigieren. «Es ist ein Unikum, dass der betroffene Bezirk Dietikon die Bahn nicht will und der übrige Kanton im Unwissen über die Ablehnung Ja dazu sagte», erklärt er im Interview mit dem «Dietiker».

 

Herr Schmidt, sind Sie ein schlechter Verlierer? Die Stimmbürger des Kantons Zürich haben im November 2015 dem Bau der Limmattalbahn mit 64% Ja-Stimmen deutlich zugestimmt. Sie waren damals schon ein erklärter Gegner der Bahn. Jetzt wollen Sie mit einer Volksinitiative, die am 23. September zur Abstimmung kommt, im Nachhinein wenigstens noch den Bau der 2. Etappe von Schlieren über Dietikon nach Killwangen-Spreitenbach verhindern. Warum diese Zwängerei?

Bernhard Schmidt: Diese Volksinitiative ist ein Glücksfall für unser demokratisches System. Bei der Limmattalbahn zeigt sich anschaulich, dass es nötig sein kann, korrigierend Einfluss auf einen demokratischen Prozess zu nehmen. Es ist ein Unikum, dass der betroffene Bezirk Dietikon eine Bahn nicht will und der übrige Kanton im Unwissen über die Ablehnung Ja sagte dazu. Das erzeugt eine grosse Spannung zwischen den beiden Ge
bieten, die bis heute im Limmattal gut spürbar ist und die bei der Bevölkerung Wut und Ärger auslösen. Für eine Demokratie ist es äusserst bedenklich, wenn eine solche Wut stehengelassen anstatt in eine positive Energie gebracht wird. Diese Leute werden vergrault und verabschieden sich von der Demokratie. Zwängerei ist es, an der 2. Etappe festzuhalten.

 

Einmal abgesehen davon, dass die Stimmbürger Dietikons und Schlierens zum Bau der Limmattalbahn Nein gesagt haben: Gibt es noch andere Gründe, die gegen die Verwirklichung der 2. Etappe sprechen?

Bernhard Schmidt: Das Selbstbestimmungsrecht einer ganzen Region kann man nicht genug hoch gewichten. Das klare Nein zur Limmattalbahn hat viele gewichtige Gründe. Hier eine nicht abschliessende Aufzählung:

  • Das Tram ist ein veraltetes Verkehrskonzept. Bereits heute setzt man auf ganz andere Technologien. Ein langsames und unflexibles Tram hat keinen Platz mehr in einem modernen Verkehrskonzept. Es ist nur hinderlich.
  • Die Linienführung an den Bahnhof Dietikon ist eine Zwängerei.
  • Enteignungen für eine unerwünschte Bahn sind ärgerlich.
  • Es müssen Hunderte von Bäumen gefällt werden.
  • Schwer wiegt, dass wir bestes Kulturland verlieren.
  • Eine Linienführung parallel zur S-Bahn macht keinen Sinn.
  • Das Tram hat in den engen Strassen keinen Platz.

 

Die Limmattalbahn soll helfen, das Wachstum des Limmattals in geordnete Bahnen zu lenken und die Zentren von Dietikon und Schlieren vom motorisierten Individualverkehr zu entlasten. Warum wollen Sie das nicht?

Bernhard Schmidt: Die Bevölkerung muss in diesen Prozess miteinbezogen werden. Es geht nicht an, dass uns die Konzepte aufgezwungen werden. Hier ist die Politik gefordert, dass sie uns gut vertritt und wir nicht von der Wirtschaft bestimmt werden. Diese möchte eine Grossstadt von Zürich nach Baden bauen. Ist das verwerflich? Ja, da nicht die Menschen im Mittelpunkt stehen, sondern der Profit.

 

Die Limmattalbahn würde die Städte und Orte, die die Bahn verbindet, als Wohn- und Arbeitsort aufwerten. Was spricht dagegen?

Bernhard Schmidt: Es spricht nichts gegen eine Aufwertung. Nur wer bestimmt, wie diese Aufwertung zu geschehen hat. Die Limmattaler Bevölkerung möchte sich nicht vorschreiben lassen, was gut für sie ist. Dies käme einer Bevormundung gleich und würde unser demokratisches System untergraben. Dagegen muss Widerstand geleistet werden.

 

Die Limmattalbahn wäre umweltfreundlicher und pünktlicher als die Busse, die jetzt die Strecke Schlieren – Dietikon – Killwangen-Spreitenbach bedienen. Die Bahn könnte auch mehr Leute pro Fahrt transportieren als die Busse. Warum soll unter diesen Umständen das Bussystem beibehalten werden?

Bernhard Schmidt: Das Bussystem ist viel flexibler als ein Tram. Die heutige Technologie bei den Bussen braucht keine Oberleitungen mehr. Masten in Privatgärten können somit verhindert werden.Wenn man die ganzen Materialien, die benötigten Ressourcen beim Bau und der spätere Unterhalt für die Limmattalbahn in Rechnung stellt, weisen die Busse eine viel bessere Ökobilanz auf.

 

Die Limmattalbahn ist ein Gesamtverkehrsprojekt. Es sieht neben dem Bau der Bahn auch Anpassungen und Ausbauten bei Strassen vor. Würde Ihre Initiative angenommen, wäre auch dieser Teil des Projekts gefährdet. Nehmen Sie das einfach so in Kauf?

Bernhard Schmidt: Die Initiative richtet sich gegen die 2. Etappe der Limmattalbahn. Die Anpassungen und Ausbauten bei den Strassen sind unbestritten. Die Frage stellt sich aber, ob es korrekt war in der Abstimmungsvorlage vom 15. November 2015 die Limmattalbahn mit den Anpassungen und Ausbauten bei Strassen zu verbinden. Da sehe ich die Einheit der Materie verletzt.

 

Würde Ihre Initiative angenommen, wären Steuergelder in der Höhe zwischen 30 und 40 Millionen Franken in den Sand gesetzt, die bis jetzt für Planung und Vorbereitungsarbeiten ausgegeben wurden. Wie erklären Sie das dem Stimmbürger?

Bernhard Schmidt: Dies müssen die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen dem Stimmbürger erklären, allen voran die Stadtpräsidenten von Dietikon und Schlieren. Sie wollten diese Bahn partout ohne ein Mandat von der Bevölkerung. Wenigstens verhindert ein Ja zur Initiative «Stoppt die Limmattalbahn – ab Schlieren» weitere unnötige Ausgaben von Hunderten von Millionen Franken.

 

Text: Martin Gollmer, Fotos: ZVG