Auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft

Viele Einwohnerinnen und Einwohner Dietikons wissen nicht, dass die Stadt langfristig das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft anstrebt. Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist gemäss Hochbauvorstand Anton Kiwic die Teilnahme am Energiestadt-Programm. Dieses Jahr ist Dietikon dafür erneut mit dem Gold-Label ausgezeichnet worden.

 

Hohe Auszeichnung für Dietikon: Die Stadt hat zum zweiten Mal nach 2015 das Label Energiestadt Gold erhalten. Stadtrat Anton Kiwic (SP), Hochbauvorstand und verantwortlich für die Umsetzung des Energiestadt-Programms in Dietikon, hat die entsprechende Urkunde am vergangenen 11. Oktober in Locarno entgegengenommen. Das Energiestadt-Label wird vom internationalen Verein European Energy Award auf Empfehlung der Schweizer Label-Kommission des Trägervereins Energiestadt vergeben. Die Auszeichnung erhalten Gemeinden, die sich kontinuierlich für eine effiziente Nutzung von Energie, den Klimaschutz und erneuerbare Energien sowie umweltverträgliche Mobilität einsetzen und den Rezertifizierungsprozess erfolgreich bestanden haben. Das Label ist jeweils vier Jahre gültig.

 

Mit der erneuten Bestätigung des Gold-Labels gehört Dietikon zusammen mit 54 anderen Schweizer Städten zu den Vorreiterinnen in der Energiepolitik. Alle Gold-Städte zeichnen sich schweiz- und europaweit aus durch ein überdurchschnittliches Engagement für die zielgerichtete und erfolgreiche Umsetzung von energieeffizienten Massnahmen sowie für die konsequente Nutzung von erneuerbaren Energien.

 

Dietikon erreichte im Massnahmenkatalog des Trägervereins Energiestadt 79,2 Prozent der für die Stadt möglichen Punkte. 2015, als Dietikon zum ersten Mal das Label Gold erhielt, waren es erst knapp 77 Prozent gewesen. Das Label Gold erhalten Städte, die mehr als 75 Prozent der für sie möglichen Massnahmen umgesetzt haben. Dietikon übertraf diesen Wert bei fünf von sechs Themenbereichen, die bewertet werden (siehe Energiestadt-Spinne links oben). Einzig beim Bereich kommunale Anlagen und Bauten blieb Dietikon darunter.

 

Schulhäuser energetisch aufpeppen

«In diesem Bereich müssen wir uns verbessern, wenn wir das Label Gold in vier Jahren nochmals erhalten wollen», sagt Kiwic im Gespräch mit dem «Dietiker». Zu den kommunalen Anlagen und Bauten gehören nämlich auch Dietikons Schulhäuser. Diese stammen aus der Zeit zwischen den 50er- und den 70er-Jahren und sind bezüglich Energieeffizienz und Klima­freundlichkeit nicht mehr auf dem neuesten Stand. «Sie müssen energetisch aufgepeppt werden», sagt Kiwic.
Wie viel Energie in älteren Schul- oder Dienstleistungsbauten durch betriebliche Massnahmen eingespart werden könnte, will die Stadt gemäss Kiwic gegenwärtig in den Kindergärten Alemannenweg (Baujahr 1960) und Wolfsmatt (Baujahr 1965) herausfinden. Diese wurden in der Vergangenheit teilweise erneuert; weitere energetisch wirksame Baumassnahmen oder ein Heizungsersatz sind aber in den nächsten Jahren nicht geplant. Um dennoch Heizenergie zu sparen, sind die Heizkörper in diesen Kindergärten vor kurzem mit intelligenten, selbstlernenden Thermo­staten ausgerüstet worden. Damit soll es möglich sein, 20 bis 30 Prozent der Heizenergie einzusparen. Verläuft der Test erfolgreich, könnte die Massnahme auch in anderen älteren Schul- oder Dienstleistungsbauten der Stadt angewendet werden. In den nächsten Jahrzehnten müssen alle älteren städtischen Gebäude umfassend aufgerüstet werden. Aktuell wird die Erneuerung des Schulhauses Wolfsmatt unter Berücksichtigung des künftigen Platzbedarfs, des baulichen Zustandes und unter Einhaltung der energetischen Gebäudestandards für städtische Gebäude geplant.

 

Dass es Dietikon ernst meint mit dem Label Gold, zeigt sich auch in der Stadtverwaltung. Dort soll die Energiebeauftragte laut Kiwic mehr Gewicht bekommen. 2012 als freischaffende Person mit einem Pen­sum von 50 Prozent erstmals im Mandat angeheuert, soll das Pensum jetzt auf 80 Prozent aufgestockt und aus der freien Mitarbeit eine Festanstellung werden. «Die Energiebeauftragte ist der Dreh- und Angelpunkt der städtischen Energiepolitik», unterstreicht Kiwic die Bedeutung des Postens. Sie soll dabei nicht nur dafür sorgen, dass die kommunale Politik den Grundsätzen der Energiestadt nachlebt, sondern auch Dietiker Hausbesitzer – gratis – bei Energiesparmassnahmen beraten. Weiter unterstützt die Stadt seit 1993 private Hausbesitzer finanziell bei Heizungsersatz mit erneuerbaren Energien oder bei der Installation einer Solaranlage.

 

Auch Private sind betroffen

Das Energiestadt-Programm ist denn auch etwas, das nicht nur die öffentliche Hand betrifft, sondern auch private Bauherrschaften. Wollen sie etwa mit Gestaltungsplänen bauen, so erläutert Kiwic, kann die Stadt energiesparende Gebäudestandards oder klimafreundliche Umgebungsvorschriften durchsetzen. Dies als Gegenleistung dafür, dass im Rahmen eines Gestaltungsplans über die Richtlinien der Bauordnung hinausgegangen werden kann. Auf diese Weise hat die Stadt beispielsweise auf die Überbauungen des Limmatfelds Einfluss genommen. So wurde etwa im privaten Gestaltungsplan Limmatfeld die Energieversorgung mit Abwärme aus der Abwasserreinigungsanlage festgelegt.

 

Was die zukünftige Überbauung des Niderfelds betrifft, versucht die Stadt gemäss Kiwic Themen in die Planung einzubringen, die das ökologische Zusammenleben fördern. Im Vordergrund steht das Konzept «ZEV – Zusammenschluss zum Eigenverbrauch über das ganze Niderfeld». Produzierte Solarenergie soll im Niderfeld genutzt und möglichst auch gespeichert werden können. Das Niderfeld könnte so ein sogenanntes Zero-Zero-Gebiet werden, das keine Energie von aussen braucht und das kein schädliches Treibhausgas CO2 produziert.

 

Den Druck hochhalten

Ein weiterer Bereich, bei dem Energiestadt-Konzepte Private stark betreffen, ist die Mobilität. Hier versucht Dietikon die Stadträume so zu gestalten, «dass für die Einwohnerinnen und Einwohner ein Anreiz besteht, vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen», wie Kiwic sagt. Gegenwärtig geschehe dies etwa durch den Bau der Limmattalbahn.

 

Mit der Teilnahme am Energiestadt-Programm versucht die Stadt Vorgaben in der Gemeindeordnung, der Verfassung Dietikons, nachzuleben. Dort steht in Artikel 1, dass die Stadt langfristig das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft anstreben soll (siehe Kasten). «Das Energiestadt-Label Gold ist ein Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen», sagt Kiwic. Allerdings müsse heute über dieses Ziel hinausgegangen werden. In der Gemeindeordnung sei nämlich nur von Energieeffi­zienz und erneuerbaren Energien die Rede, noch nicht aber von Klimafreundlichkeit.

 

Dietikon macht seit 2003 beim Energiestadt-Programm mit. Richtig Schub erhielten die damit verbundenen Massnahmen gemäss Kiwic aber erst 2011, als beschlossen wurde, sich für das Gold-Label zu bewerben. Dieses Jahr stellte sich der Stadtrat die Grundsatzfrage, ob er das für weitere vier Jahre tun soll oder ob bisher genug gelernt worden sei, um Konzepte und Prozesse alleine weiterzuführen. Die Antwort laut Kiwic: «Wir haben zwar schon viel gelernt, aber das Energiestadt-Denken ist noch nicht bis in den hintersten Winkel in die DNA der Stadt vorgedrungen.» Um den Druck dazu hochzuhalten, bleibe man auch in Zukunft dabei.

 

Das Ziel
Die Gemeindeordnung Dietikons (von 1997, Stand 2012) hält in Artikel 1 die Aufgaben fest, die die Stadt erledigen soll. Absatz 3 lautet:

«Die Gemeinde ist einer ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Sie orientiert sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit am langfristigen Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft und setzt sich für die Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energiequellen ein.»

 

Text und Foto: Martin Gollmer