«Eine soziale Hängematte gibt es bei uns nicht»

Mehrere Entwicklungen im Sozialbereich stimmen den zuständigen Dietiker Stadtrat Philipp Müller (FDP) zuversichtlich. Im Gespräch mit dem «Dietiker» erklärt er auch, was die Stadt alles tut in diesem Bereich, um mit dem Geld der Steuerzahler sparsam umzugehen.

«Zurzeit läuft einiges in die richtige Richtung», sagt Stadtrat Philipp Müller. Der Sozialvorstand der Stadt Dietikon spricht einerseits die Sozialhilfequote an, die sinkende Tendenz aufweist. Und er nimmt andererseits Bezug auf Entwicklungen im Kanton Zürich, die für Dietikon bei der Sozialhilfe und bei den Ergänzungsleistungen AHV/IV eine Entlastung bringen könnten.

«Die Sozialhilfequote ist in Dietikon in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken», erklärt Müller. Im Jahr 2014 lag sie noch bei 7 %. In der Folge sank sie auf 6,4 % (2015) und 6 % (2016). 2017, das Jahr, für das die neuesten Zahlen vorliegen, betrug sie noch 5,8 %. Die Sozialhilfequote misst den Anteil der Personen, die Sozialhilfe beziehen, an der gesamten Wohnbevölkerung.

Das ist zwar ein erfreulicher Trend. Aber noch immer weist Dietikon die höchste Sozialhilfequote im Kanton Zürich auf. Das hat gemäss Müller drei Hauptgründe. Zum Ersten ist Dietikon ein regionales Zentrum, das eine Grösse aufweist, welche Sozialhilfebezügern eine gewisse Anonymität gewährleistet. Zum Zweitem hat die Stadt relativ viel alten, günstigen Wohnraum, was Leute mit kleinem Budget anzieht. Und zum Dritten leben in Dietikon relativ viele Ausländer, unter denen die Sozialhilfebezüger häufiger anzutreffen sind als unter Schweizern.

Restriktive und strenge Politik

Dass die Sozialhilfequote trotzdem zurückgegangen ist, führt Müller auf die Politik des Stadtrates in den vergangenen Jahren zurück. Diese Politik bezeichnet er als «restriktiv und streng». Es gelte der Grundsatz «fordern und fördern». Sozialhilfebezüger müssten sich bemühen, ihre Lage zu verbessern, sich zu entwickeln und wieder eine Arbeit zu finden. «Es gibt keine soziale Hängematte bei uns», sagt Müller.

In den Bemühungen, sich zu entwickeln, unterstützt die Stadt aber die Sozialhilfebezüger. «Wir schauen, was die Leute können und fokussieren auf deren Ressourcen», sagt Müller. Dabei kommt die Fachstelle Arbeitsintegration der Sozialabteilung der Stadt ins Spiel. Entsprechend ihren Fähigkeiten vermittelt diese den Sozialhilfebezügern Praktika in Unternehmen. Schon oft sind daraus Festanstellungen geworden. «Wir haben eine gute Erfolgsquote», erklärt Müller.

Was die Sozialhilfe angeht, zeichnet sich gemäss Müller auch im Kanton eine möglicherweise positive Entwicklung ab. Zurzeit befindet sich nämlich das Sozialhilfegesetz in Revision. Dabei sollen die aufwändigen Einzelabrechnungen pro Sozialhilfebezüger, um eine Rückerstattung durch den Kanton zu erhalten, durch eine administrativ einfachere pauschale Abgeltung des Kantons der Sozialhilfeausgaben einer Gemeinde ersetzt werden. Nach jetzigem Stand der Diskussion soll der Abgeltungssatz 25 % betragen.

Fairere Lastenteilung gefordert

Müller hält diesen Satz aber noch für deutlich zu niedrig. Mit ihm würden die Sozialhilfeausgaben in Dietikon steigen. Die Stadt forderte deshalb in der Vernehmlassung einen Satz von 50 %. «Das wäre eine fairere Lastenteilung», meint Müller. Dietikons Forderung wird durch andere Gemeinden mit hohen Sozialhilfeausgaben sowie die Sozialkonferenz des Kantons Zürich unterstützt. Ob der Regierungsrat ein Einsehen hat, wird sich zeigen, wenn er den überarbeiteten Gesetzesentwurf dem Kantonsrat vorlegt.

Die zweite Entwicklung im Kanton, die für Dietikon eine Entlastung bringen könnte, zeichnet sich bei den Ergänzungsleistungen AHV/IV ab. Heute werden diese Leistungen zu 44 % durch den Kanton finanziert. Dieser Satz soll gemäss Müller auf 50 % und später noch höher steigen.

Im Gegensatz zu den Sozialhilfeausgaben haben die Ergänzungsleistungen AHV/IV in Dietikon steigende Tendenz. Das hänge mit der demografischen Entwicklung zusammen, erklärt Müller. Es gebe immer mehr alte Leute, denen die Rente nicht ausreiche, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Zudem gebe es viele Teilzeitbeschäftigte, die über keine genügende berufliche Altersvorsorge verfügten. «Dagegen können wir als Gemeinde nichts machen», sagt Müller. «Das Problem muss auf Bundesebene gelöst werden.»

Kontrollen sollen Missbrauch verhindern

Wer Hilfe von der Stadt erhält, wird kontrolliert. Denn Missbrauch komme vor, wie Müller sagt. Hilfebezüger müssen etwa regelmässig Kontoauszüge und Lohnabrechnungen vorlegen. Auch machen die Mitarbeiter der Sozialabteilung Hausbesuche, um die wirtschaftliche Situation der Hilfebezüger vor Ort abklären zu können. Zudem werden online Recherchen in den sozialen Medien gemacht. «Als letztes Mittel», wie Müller sagt, kommen auch Sozialdetektive zum Einsatz. Leute, die Leistungen unrechtmässig beziehen oder nicht kooperieren, werden sanktioniert. Gelder werden konsequent zurückgefordert und gegen die Fehlbaren Strafverfahren eingeleitet. Mittels Auflagen und Weisungen wird weiter darauf abgezielt, Verhaltensänderungen zu bewirken. Wer diese Anordnungen missachtet, dem werden die Sozialhilfeleistungen gekürzt.

Dietikons Sozialbudget beträgt zurzeit rund 36 Millionen Franken. Das ist der zweitgrösste Budgetposten nach der Schule. Für Sozialhilfe (die gesetzliche wirtschaftliche Hilfe) gibt die Stadt dabei 25 Millionen Franken aus. Nach Abzug der Rückerstattungen durch den Kanton bleiben netto rund 12 Millionen Franken im Dietiker Haushalt hängen. Die Ergänzungsleistungen AHV/IV schlagen mit 25 Millionen Franken zu Buche. Davon übernimmt der Kanton 10 Millionen Franken.

Weiter ist die Sozialabteilung auch für das Asylwesen zuständig, wobei die Stadt Dietikon diese Aufgabe an die private Firma ORS Service AG ausgelagert hat. Der Stadt wird für die Betreuung der Asylsuchenden pro Person und Tag eine Pauschale vergütet. Mit dieser können die anfallenden Kosten grösstenteils gedeckt werden.

Das Sozialwesen der Stadt Dietikon wird durch die Sozialabteilung gemanagt. Diese zählt rund sechzig Mitarbeitende, die mehrheitlich an der Neumattstras­se 7 ihr Büro haben. «Das ist ein tolles Team mit innovativen Leuten», urteilt Müller, der seit rund einem Jahr im Amt ist. «Ich habe überhaupt keinen Verwaltungsgroove festgestellt.» Ihren Innovationsgeist stellten die Mitarbeiter erst kürzlich unter Beweis. Aus ihrem Kreis stammt nämlich die Idee, potenzielle Klientinnen und Klienten mit einem Video über Voraussetzungen und Verfahren der Sozialhilfe zu informieren.

 

Text: Martin Gollmer, Foto: Marina Lukac, ZVG