Gut Ding will Weile haben

Dietikons Jugendliche haben Wünsche an die Stadt, wie sie an den Jugendsessionen 2018 und 2019 klar machten. Sie wollen Singsäle und Turnhallen zu freien Zeiten nutzen können, sie wollen Events für Ihresgleichen und sie wollen einen McDonalds. Der «Dietiker» zeigt, wie es um die Realisierung dieser Anliegen steht. Fazit: Schnell geht es aus verschiedenen Gründen nicht.

Bis Ideen und Vorschläge umgesetzt sind, braucht es oft Zeit und Geduld. Das erfahren zurzeit gerade auch die Jugendlichen von Dietikon. Manchmal mahlen eben die politischen Mühlen langsam. Und manchmal funken unvorhergesehene Ereignisse dazwischen, wie jetzt die Coronavirus-Pandemie.

An der Jugendsession im November 2018 äusserten sie den Wunsch, Singsäle und Turnhallen der städtischen Schulen zu belegungsfreien Zeiten einfach für Aktivitäten reservieren zu können. Im Mai 2019 reichte Gemeinderat Michael Segrada (FDP) mit 14 Mitunterzeichnern im Namen der Jugendlichen ein Postulat im Parlament ein, mit dem der Stadtrat beauftragt werden sollte, ein Nutzungskonzept auszuarbeiten. Im Juni 2019 überwies der Gemeinderat das Postulat an den Stadtrat. Im Januar dieses Jahres – 14 lange Monate nach der Jugendsession – lag dann seine Antwort vor. Sie fiel positiv aus: Im Frühling 2020 sollte ein Online-Reservationssystem bereit sein und eine bis in den Herbst dauernde Pilotphase beginnen.

Keine Zeit zum Programmieren
Doch dann kam die hochansteckende Coronavirus-Krankheit, und die Singsäle und Turnhallen wurden wie die Schulen selbst geschlossen. «Die Arbeiten am Online-Reservationssystem blieben wegen der Pandemie stecken», wie Petra Loser sagt. Sie ist Leiterin Schulliegenschaften in der Stadtverwaltung. Sie hätte das Reservationssystem auf die Dietiker Verhältnisse anpassen müssen, wurde dann aber in den Krisenstab der Schule Dietikon berufen und hatte deshalb vorerst keine Zeit mehr für die Programmierung des Systems. Claudia Stüssi, Turnhallenverantwortliche des Kartells der Ortsvereine Dietikons, wäre dagegen mehr oder weniger bereit gewesen. Das Kartell vergibt im Auftrag der Schule freie Turnhallenzeiten an Dritte, vor allem an Vereine. «Nur noch eine Besprechung mit der Schulverwaltung, und wir hätten mit der Pilotphase loslegen können», sagt Stüssi.

Inzwischen sind die Singsäle und Turnhallen für Vereine wieder offen – sofern sie über ein von der Gemeindeführungsorganisation (GFO) genehmigtes Schutzkonzept für die Nutzer verfügen. Und auch an der Programmierung des Online-Reservationssystems wird wieder gearbeitet. «Es geht nicht mehr so lange, bis es fertig ist», macht Loser den Jugendlichen Hoffnung. Bis es soweit ist, können diese über die städtische Jugendarbeit Singsäle und Turnhallen buchen. Freie Zeiten können dem Hallenbelegungsplan für den Sommer 2020 auf der Website des Kartells entnommen werden. Voraussetzung ist indes vorerst auch hier, dass ein von der GFO genehmigtes Schutzkonzept vorliegt.

Konzept für Events blockiert
Wegen der Coronavirus-Pandemie blieben auch die Arbeiten an einem Konzept zu «Events für Jugendliche» in Dietikon lange Zeit stecken, wie Géraldine Füllemann vom Jugendrat berichtet. In dem Konzept, an dem die Jugendratsmitglieder Valentina Büschi, Géraldine Füllemann und Kreshmeh Jabari mit Unterstützung von Michel Duc von der Jugendarbeit Dietikon arbeiten, sollen etwa Fragen wie Finanzen und Sicherheit thematisiert werden. Aufgrund der strengen Anti-Coronavirus-Massnahmen von Bund, Kanton und Stadt konnte das Quartett aber wochenlang nicht zusammensitzen. Erst Mitte Mai war wieder ein Treffen möglich.

Der Wunsch nach Events für Jugendliche in Dietikon wurde an der Jugendsession im November 2019 als am dringendsten bezeichnet. Auf den zweiten Platz schaffte es damals der Wunsch nach einem McDonalds in Dietikon.

Interessierte Politiker
Die Politik hörte sich diese Wünsche der Jugendlichen mit Interesse an. An der Schlusspräsentation im Jugendhaus waren als Vertreter der Exekutive etwa Stadtpräsident Roger Bachmann (SVP) und als Repräsentant der Legislative der damalige Gemeinderatspräsident Markus Erni (ebenfalls SVP) anwesend. «Die Anliegen der Jugendlichen kann ich absolut nachvollziehen», sagt Bachmann. «Meiner Meinung nach fehlt es in Dietikon an einer eigentlichen ‹Jugendkultur›, die in entsprechenden Lokalitäten beziehungsweise an Events gelebt werden kann.» Er warnt aber, dass das Zurverfügungstellen von Raum kein einfaches Unterfangen sei, weil es der Stadt selber an Flächen und Räumlichkeiten fehle – auch in Bezug auf andere Bedürfnisse. Was die Events betrifft, wollte die Stadt den Jugendlichen gemäss Bachmann schon am Sommerfest am 5./6. Juni einen Schritt entgegenkommen und ihnen am Freitag (5. Juni) das Programm widmen. Doch wegen der Coronavirus-Pandemie musste das Sommerfest abgesagt werden.

Etwas reservierter äussert sich Erni zu den Events für Jugendliche. Die Jugendabteilung der Stadtverwaltung biete jetzt schon verschiedene Veranstaltungen an, welche unterschiedlich erfolgreich seien. Die Frage sei nun, was für Events die Jugendlichen sonst noch wünschen und was sie sich unter geeigneten Lokalitäten vorstellen würden. «Wenn sie sich darüber einig sind, können wir weiterdiskutierten», erklärt Erni.

Auch zum zweiten Anliegen eines McDonalds in Dietikon gibt sich Erni zurückhaltend. «Eigentlich reicht uns schon der Abfall, der von den McDonalds-Filialen in den Nachbargemeinden sichtbar bei uns hinterlassen wird», sagt er. «Deshalb bin ich nicht unglücklich, dass dieses Anliegen für die Jugendlichen nicht zuoberst auf der Wunschliste stand.» Er fügt an: «Zudem bin ich der Überzeugung, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, in privatwirtschaftliche Geschäfte einzugreifen und zum Beispiel aktiv ein spezifisches Konsumangebot zu fordern.»

Ganz anders als der Parlamentarier Erni äussert sich Stadtpräsident Bachmann. Das Thema eines McDonalds in Dietikon sei seit Jahren immer wieder zu hören und entspreche offensichtlich einem echten Anliegen, «das wir sehr ernst nehmen». Mit den zwei grossen Burger-Ketten sei deshalb Kontakt aufgenommen worden. Und mit einem Burger-Riesen habe zusammen mit der städtischen Standortförderung schon eine Begehung des Zentrums der Stadt stattgefunden, damit sich die zuständigen Leute vor Ort ein Bild machen konnten. Der Burger-Riese habe weitere Abklärungen in Aussicht gestellt, erklärt Bachmann. Zur Realisierung eines Burger-Lokals in Dietikon müsse aber nicht nur die Wirtschaftlichkeit stimmen, sondern brauche es auch – einmal mehr – die Verfügbarkeit von Räumlichkeiten.

Wertvolles Instrument
Sowohl Bachmann wie Erni betonen die Wichtigkeit der Jugendsessionen. Sie seien «ein wertvolles Instrument, da es zum einen die Möglichkeit bietet, den Jugendlichen zu zeigen, dass Politik nicht nur langweilig, sondern eben auch spannend sein kann», erläutert Bachmann. «Andererseits ist es für mich auch immer wieder spannend zu hören, was die Jugendlichen aktuell an Themen bewegt.» Der Dialog mit den Jugendlichen schütze die Älteren vor dem «Einrosten» und einer gewissen «Betriebsblindheit» und gebe Impulse für die politische Arbeit.

«Es macht mich stolz, dass wir Dietikerinnen und Dietiker Jugendliche haben, die sich für Ihresgleichen einsetzen und ihre Freizeit opfern, um Politik zu betreiben», sagt Erni. Er habe schon vor drei Jahren einmal an einer Jugendsession teilgenommen und sich nach dem Bekanntwerden des Siegerthemas bereit erklärt, das Anliegen von Rettungsübungen in den Schulen als Postulat im Gemeinderat einzubringen. «Es hat mich fasziniert, dass die Jugendlichen sich dieses Themas überhaupt angenommen und, wie bekannt ist, damit auch ein Versäumnis der Schule Dietikon aufgedeckt haben.»

Text und Fotos: Martin Gollmer