Hinter der Mühle…

Ursprünglich wurde die aktuell (2017/2018) erbaute Neue Siedlung «Sonnenhof» bereits 1951 von den RWD errichtet, als man günstige Arbeiterwohnungen nahe der Firma benötigte. Vor dem Bau aber hat die Gegend an der unteren Bergstrasse zu den schönsten Dorfpartien Dietikons gezählt: Sie zeichnete sich durch prächtige Wiesen, Gärten und Parkanlagen aus…

 

Die Rotfärberei Hanhart

Um 1849 machte sich der Industrielle Johann Hanhart- Solivo (1803–1875) aus Diessenhofen TG selbständig und kaufte in Dietikon die Rotfärberei der Gebrüder Markwalder (heute RWD, Bergstrasse 23). Einst war die Färberei ein bedeutender Nebenbetrieb der Unteren Mühle und des Klosters Wettingen gewesen, doch war das Geschäft von den Markwalders vernachlässigt worden. Bald aber brachte Hanhart die Fabrik wieder zu voller Blüte, vergrösserte sie wesentlich und verdiente ein ansehnliches Vermögen.

 

Sowohl Johann Hanhart als auch seine Gattin Barbara (1805–1895) waren grosse Naturliebhaber, und so beauftragten sie den bekannten Zürcher Landschaftsgärtner Theodor Froebel (1810–1893) mit der Gestaltung eines Parks mit Baumgruppen, kleinen Rasenflächen, Kieswegen und Blumenbeeten. Dieser Ziergarten lag gleich oberhalb der Rotfarb, in der von der Reppisch und dem Fabrikkanal gebildeten Landspitze.

 

Ländliches Ambiente

Auf der anderen Seite der Bergstrasse – im Gebiet der heutigen Siedlungen «Im Park» und «Sonnenhof» – gehörten ein hoher Tröckneturm für gefärbte Textilien zur Fabrik, ebenso ein Wohnhaus für den Gärtner, das teilweise als Magazin für ungefärbte Ware genutzt wurde. Da Hanhart besondere Freude an der Landwirtschaft hatte, legte er daneben auch umfassende Gemüsegärten an und unterhielt weitläufige Wiesen und Felder mit Obstbäumen. Auch besass er hier eine Scheune für Lastpferde, Rinder und Kühe und einen grossen Hühnerstall.

 

Viel Wert legte Johann Hanhart auf einen guten Weinkeller: In Wettingen erwarb er einen Weinbergmit einer aus der Zeit des Klosters stammenden Trotte (= Pressanlage). Einen weiteren Rebberg kaufte der Unternehmer in Oetwil a.d.L. Der Wettinger Wein diente als Tischwein der Familie Hanhart, während der Oetwiler Dienstbotenwein war. Die Knechte und Taglöhner wurden mit Apfel- und Birnenwein verköstigt, der z.T. aus Hanharts eigenen Obstbäumen, auch aus Dietikon, gewonnen wurde.

 

Die Metallgiesserei Koch: Modernisierung

Die guten Zeiten der Schweizer Rotfärbereien neigten sich ab 1880 dem Ende zu, und es begannen wirtschaftliche Schwierigkeiten. Schliesslich musste Johanns Sohn, Carl August Hanhart-Graf (1842–1920) die Dietiker Rotfarb um 1905 an Hans Koch-Eichler (1867–1943) verkaufen. Koch baute das Unternehmen um und verwandelte es in eine moderne Metallgiesserei und Armaturenfabrik. Neben der Fabrik übernahm Koch auch die ausgedehnten Grünflächen der Hanharts.

 

Koch brachte zwar weniger Interesse für die Landwirtschaft auf, aber umso mehr für Ästhetik. So liess er u.a. von seinem Privatgärtner Adolf Ungricht (1899– 1959) beidseits der Bergstrasse zusätzliche Parkanlagen erstellen; mit gemütlichen Lauben, luxuriös ausgestatteten Pavillons und idyllischen Seerosenteichen. Passend, dass noch im Gemeindeplan von 1921 die Gegend ganz nostalgisch als «Hinter der Mühle» bezeichnet wird. Zu jener Zeit galt das Gelände der Metallgiesserei jedenfalls als eine der schönsten Dorfpartien Dietikons.

 

Die RWD: Schaffung von Wohnraum

Nach wirtschaftlichen Krisen stand die Metallgiesserei Koch um 1943 vor dem Konkurs. Daraufhin wurde die Firma an Willi Pieper-Häcker (1911–1990) verkauft, welcher sie in «Reppischwerke Dietikon» (RWD) umbenannte. Pieper spezialisierte sich auf die Produktion von Kartoffelschälmaschinen, später von Büromöbeln und Trennwandsystemen. Ausserdem stieg er bald immer mehr in das Immobiliengeschäft ein. Für die damals rund 100 RWD-Mitarbeiter errichtete Pieper schon um 1951 gegenüber der Fabrik die alte «Sonnenhof»-Überbauung. Die Siedlung umfasste 8 beige-rote Mehrfamilienhäuser mit 72 Wohnungen: Zu Gunsten der Schaffung von neuem Wohnraum verschwanden Mitte des 20. Jh. also die prächtigen Gärten Kochs und die saftigen Wiesen Hanharts. Nur der Name der benachbarten Siedlung «Im Park» (entstanden 1955) erinnert heute noch daran, wie idyllisch es einst hinter der Mühle ausgesehen haben mag…