Kernbefestigung Dietikon, 1939-40

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war zu befürchten, dass ein deutscher Angriff auf die Schweiz erfolgen könnte. Daher stellte General Guisan schnell die Hauptverteidigung entlang der Linie Sargans-Walensee-Zürichsee-Limmat-Bözberg-Gempen auf. In diesem Kontext berichtet der Beitrag von der Anfangsphase des Krieges um 1939-40, als u.a. auch das Dorf Dietikon für kurze Zeit zu einer starken militärischen Festung ausgebaut wurde.

Ausgangslage
Im Unterschied zum Ersten Weltkrieg gibt es im Falle des Zweiten keine historische Debatte über die Verantwortung zur Entfesselung des Konflikts. An der Schuld des Deutschen Reichs, und auch dass Hitler jahrelang zielbewusst auf den gewaltsamen Umsturz der um 1919 errichteten Weltordnung hingearbeitet hat, gibt es keinen Zweifel. Knapp 80% aller Staatsausgaben der Nationalsozialisten entfielen zwecks Produktion von Waffen, Panzern und Kampfflugzeugen auf den Rüstungssektor. Infolgedessen war Deutschland um 1939 finanziell zwar hochverschuldet, aber dafür ein hochgerüsteter Gegner.

Angesichts der wachsenden Bedrohung begann die Schweiz schon Mitte der 1930er-Jahre mit dem Bau einer Grenzbefestigung, um das Land im Falle eines Einmarschs deutscher Truppen zu schützen. Dennoch traf der Kriegsausbruch vom 1. September 1939 die Schweiz unvorbereitet: Die Grenzbefestigung war noch nicht fertig, die Panzer- und Fliegerabwehr fast inexistent und die Artillerie nur mit wenigen modernen Geschützen ausgerüstet. Die Nordgrenze hätte wohl nicht gehalten werden können. Unter diesen Voraussetzungen entstand der Operationsbefehl Nr. 2 des Generals vom 4. Oktober 1939.

Der Bau der Limmatstellung
General Guisan hielt das Limmattal für eine potentielle Einfallsachse der Deutschen Wehrmacht, weil dort der kürzeste Weg zwischen Deutschland und dem Gotthardpass vorbeiführte – und zwar von Dietikon aus über Urdorf nach Birmensdorf und dann weiter Richtung Zug und Brunnen. In der Erkenntnis, dass gegen einen hochmobilen Gegner nur von Waffen bestrichene natürliche und künstliche Hindernisse wirksam waren, entschloss man sich zur Befestigung des Limmattals zwischen Zürich und Brugg mit dem Schwerpunkt Dietikon. Diese sog. Limmatstellung wurde 1939-40 unter grossem Aufwand und hohem Zeitdruck von der Schweizer Armee erstellt, um einen Einfall ins Reusstal zu verhindern.

Insbesondere im Raum Dietikon wurden die Wege einerseits über den Mutschellen Richtung Bremgarten und andererseits über Urdorf Richtung Knonaueramt gesperrt. Diese Sperre bestand aus einem komplexen, mehrfach gestaffelten Verteidigungssystem aus Bunkeranlagen (Infanterie- und Panzerabwehr), Höckerlinien und Stacheldrahtverhau. Hinter dieser Front waren ausserdem 56 Artilleriegeschütze stationiert, ungefähr in halbkreisförmiger Formation entlang der Linie Killwangen-Bremgarten-Birmensdorf, die das Gebiet notfalls noch mit massivem Artilleriebeschuss hätten eindecken und deutsche Panzerverbände vernichten können.

Die Festung Dietikon
Im Dorf Dietikon selbst wurde ab Dezember 1939 ein Militärstützpunkt in Form einer starken Kernbefestigung erbaut. Der Stützpunkt wurde von einer Festungsmauer von rund 900 Metern Länge umschlossen, welche von sieben in die Mauer eingebauten Bunkern flankiert war. Die Kampfstellungen und deren Schiessscharten waren so positioniert, dass die Bunkerbesatzungen sich stets gegenseitig hätten Feuerschutz geben können.

Teilweise waren bis zu 6’000 Soldaten in Dietikon stationiert, um die Limmatstellung weiter auszubauen – sie standen unter dem Befehl von Oberst Alfred Raduner. Die Bevölkerung Dietikons betrug damals ebenfalls rund 6’000 Menschen. Die psychische und physische Belastung von Soldaten und Zivilist*innen muss angesichts der unsicheren Situation um 1939-40 erheblich gewesen sein.

Doch dann ergab sich eine neue Situation: Nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 verlor die Limmatstellung plötzlich ihre strategische Bedeutung, weil sie nun von den Deutschen einfach hätte umgangen werden können. Die Hauptverteidigung musste daher aufgegeben und in die Innerschweiz verlegt werden (Réduit). Endlich aber kam 1945 der lang ersehnte Friede. Ein Teil der Kernbefestigung in Dietikon steht heute noch als Denkmal. 

Die Festungsmauer beim Restaurant «Central» am heutigen Kirchplatz, ca. 1945.
Die Reste der Kernbefestigung werden heute vom Ortsmuseum Dietikon betreut. Darüber berichtete «SRF Schweiz aktuell» am 9. Juli 2020.

Text: Sven Wahrenberger, Fotos: Ortsmuseum Dietikon