Stille und heilige Nächte mit Abstand

Advent und Weihnachten verbinden viele mit Besinnlichkeit, Zusammengehörigkeit und Nähe in der Familie. Nun gelten aber überall Abstandsregeln. Wie sollen Familien mit diesen Einschränkungen umgehen – und werden diese Tage womöglich mit Abstand die besten Weihnachtstage seit langem? Sandra Grubenmann, Psychologin und Erziehungsberaterin im kjz Kloten, sieht darin zumindest eine Chance.

Frau Grubenmann, weshalb könnte sich Corona nicht nur negativ auf die Weihnachtstage auswirken?
Weihnachten verbinden tatsächlich viele mit Besinnlichkeit und Harmonie. Das ist aber nicht für alle Menschen gleich und die Realität sieht leider oft anders aus. Besonders für Eltern mit Kindern und Jugendlichen ist die Adventszeit mit viel Druck verbunden. Weihnachtssingen und Krippenspiel hier, Klavier- oder Klarinettenvorführungen da, Extrabasteln in der Schule und dazu noch die eigenen Geschäftsessen, das Besorgen der Geschenke und Basteln von Adventskalendern, Vorbereitungen fürs Weihnachtsessen – man möchte sich immer besonders viel Mühe geben, selten ist das alles zusammen aber entspannt. In vielen sozialen Anlaufstellen für Kinder und Familien ist der Dezember eine angespannte Zeit. Es liegt etwas in der Luft, nicht nur die vielen Termine, auch die wahnsinnig hohen Erwartungen an Harmonie, an Familie und das Fest an sich. Oft ist die Stimmung emotional aufgeladen und auf die Erwartungen folgen Enttäuschungen. Die Polizei hat entsprechend viele Einsätze und die Anlaufstellen für häusliche Gewalt werden öfter aufgesucht als sonst im Jahr. Ich glaube deshalb, durch die besonderen Umstände und die ausfallenden Aussentermine könnten sich die Weihnachtstage für die einen durchaus gemütlicher oder sogar erst recht besinnlich anfühlen.

Wie sollen denn Eltern mit der Enttäuschung ihrer Kinder umgehen?
Ich denke, dieses Jahr kann man beides, die Vorteile der Moderne als auch des Altmodischen ausnutzen: Die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten mit Video erlauben es, einander trotz allem an den Festlichkeiten teilhaben zu lassen. Gleichzeitig kann man altmodischere Traditionen dieses Jahr noch intensiver nutzen, beispielsweise mit Briefen oder Päckli an Adressen, an die man in anderen Jahren nichts verschickt hätte.

Für viele ist es trotzdem auch ein schwerer Verlust, die Wehnachtstage nicht mit der erweiterten Familie verbringen zu können. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um diesen Verlust auszugleichen?
Ich denke, dieses Jahr kann man beides, die Vorteile der Moderne als auch des Altmodischen ausnutzen: Die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten mit Video erlauben es, einander trotz allem an den Festlichkeiten teilhaben zu lassen. Gleichzeitig kann man altmodischere Traditionen dieses Jahr noch intensiver nutzen, beispielsweise mit Briefen oder Päckli an Adressen, an die man in anderen Jahren nichts verschickt hätte.

Und wie soll speziell mit der Risikogruppe der Grosseltern und Urgrosseltern umgegangen werden?
Bei den Risikogruppen ist es ein Abwägen zwischen der Angst vor der Krankheit beziehungsweise vor einem schweren Verlauf bis hin zum Tod und dem Bedürfnis nach Nähe und Dazugehörigkeit. Die Antwort ist nicht für alle gleich – deshalb ist es wichtig, miteinander zu reden. Familien sollen die Grosseltern fragen, wie es ihnen am liebsten ist, sie einbeziehen und in ihrer Selbstverantwortung ernst nehmen.

Sie sehen also Corona insgesamt als Chance für die Adventszeit und Feiertage?
Absolut. Ich merke das auch selber als Mutter. Es ist jetzt schon viel ruhiger als sonst um diese Jahreszeit. Für Eltern sehe ich es als riesige Chance. Man will es immer besonders gut machen, aber Friede, Freude, Eierkuchen ist es nie. Und für die Kinder muss es nicht unbedingt heissen, dass sie diese Weihnachten in schlechter Erinnerung behalten. Denn wie gesagt, der gut gemeinte Stress färbt auf sie genauso ab.

Sandra Grubenmann Lieske, lic. phil. Psychologin, studierte an der Universität Zürich Psychologie, Psychopathologie des Kindes- und Jugendalters und Sozialpädagogik. Nach dem Studium arbeitete sie in einem Kinder- und Jugendheim sowie in der aufsuchenden Familienarbeit, bevor sie 2014 im kjz Kloten als Erziehungsberaterin ihre jetzige Tätigkeit aufnahm. 2019 beendete sie die Grundausbildung am Ausbildungsinstitut Meilen in systemischer Beratung und Therapie. Sie wohnt mit ihrem Mann und ihren beiden Teenager-Töchtern in Winterthur und freut sich auf gemütliche Weihnachtstage mit ihrer Familie.

Text: zVg