«Wir machen eine Art Nouveau Cirque»

Christian Höhener und Peter Winkler, die zusammen das Dietiker Komikerduo Lapsus bilden, haben die coronabedingt auftrittslose Zeit genutzt, um ein neues Programm auf die Beine zu stellen. Es soll eine richtig grosse Kiste werden und gelangt im kommenden Dezember in der Maag-Halle in Zürich zur Aufführung. Im Interview mit dem «Dietiker» verraten Höhener und Winkler erste Details.

Dietiker: Wann seid Ihr das letzte Mal vor einem Live-Publikum auf der Bühne gestanden?
Peter Winkler: Das war im April. Das Live-Publikum bestand nur aus dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung der Brugg Group. Wir hatten für die wenigen Top-Manager dieses Konzerns in einer riesigen Halle ein riesiges Studio zur Verfügung. Weil die Leute weit auseinander sassen, haben wir sie kaum gesehen. Aber es gab Applaus, der für das Fernsehpublikum noch verstärkt wurde. Das fühlte sich wie live an. Das hat richtig Spass gemacht.

Ich nehme an, dieser Auftritt war eine Ausnahme in den vergangenen Monaten.
Christian Höhener: Das ist richtig.

Vergeht da nicht auch einem Komikerduo das Lachen, wenn es über Monate hinweg kaum einen Live-Auftritt mehr hatte?
Winkler: Nein, Gott sei Dank nicht. Ich bin einer, der den Applaus nicht so braucht. Ich habe einfach grossen Spass, wenn ich Leute zum Lachen bringen kann. Es hat auch Freude gemacht, einmal ein Leben ohne Auftritte zu haben: Ich kam nicht jeden Tag spät ins Bett, war am Morgen, wenn die Kinder aufstehen, nicht mega müde, konnte während der Woche arbeiten und hatte freie Wochenenden. Das hat auch Qualität.

Was habt Ihr gemacht während dieser fast auftrittslosen Zeit?
Winkler: Wir konnten vor allem Projekte machen, die mehr mit Video zu tun hatten. Wir haben etwa für eine Firma namens MSS Holding einen Imagefilm realisiert. Und wir waren schön am Weiterarbeiten an unserem neuen Programm.

Was Ihr mit diesen Videos verdient habt, hat das gereicht zum Leben?
Höhener: Nein. Aber wir sind vom Bund unterstützt worden, wie viele andere Künstler auch. Wir erhielten eine Erwerbsausfallentschädigung, die so etwas wie unsere Grundeinkommen bildete. Dafür, dass wir immer schön Steuern bezahlt hatten, erhielten wir die maximale Entschädigung. Deshalb kamen wir einigermassen gut über die Runden. Wir hatten auch noch ein kleines finanzielles Polster, das wir uns angelegt hatten, weil man als freischaffender Künstler immer damit rechnen muss, dass ein Notfall eintreten kann. Alles in allem hatten wir Glück.

Ist die Kreativität eine andere in einer Krisenzeit, wie wenn das Leben blüht?
Höhener: Am Anfang der Pandemie ging kurz gar nichts mehr. Alles drehte sich nur um das Coronavirus. Da vergeht dir die Lust, zu diesem Thema auch noch etwas zu machen. Aber für das Arosa Humorfestival haben wir dann eine witzige, coronakonforme Sendung realisiert. Wir machten dabei das Problem zu unserer Spielbühne. Aber sonst war ein Moment lang eine riesige Leere. Mittlerweile finde ich es noch cool, wenn wir nicht jeden dritten Tag einen Auftritt haben, sondern uns konzentrieren können auf den kreativen Prozess. Jetzt läuft dieser wieder voll.
Winkler: Die grosse Problematik in dieser Krise ist, dass es viel Energie kostet, wenn man denkt, jetzt können wir etwas machen, und es dann doch nicht möglich ist. Das ist ein ständiges Hin und Her, das viel Nerven braucht. Das tötet die Kreativität ein Stück weit. Aber wenn etwas rund läuft, dann hat man Spass und kommen die Ideen.

Zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown habt Ihr euch an der Imagekampagne der Stadt Dietikon beteiligt. Seid Ihr überzeugte Dietiker?
Höhener: Ja, auch wenn ich ein zugezogener Dietiker bin. Ein Kollege von mir machte mich einst darauf aufmerksam, dass in Dietikon ein Proberaum zu haben sei. Ich schaute mir den Raum an und merkte: das ist ja auch etwas zum Wohnen. So bin ich hierhergezogen und fand schnell Anschluss ans soziale Leben in der Stadt. Jetzt haben wir ein Haus hier, und ich fühle mich sehr gut aufgehoben.
Winkler: Dietikon ist mir nicht so wahnsinnig wichtig, dass ich nicht auch anderswo leben könnte. Aber ja, ich habe meine Wurzeln hier. Ich habe deshalb ein breites Umfeld mit vielen guten Leuten in der Stadt. Und ich bin schnell dort, wo ich hin möchte – etwa in Zürich. Ich finde den Ort deshalb sehr praktisch. Mir gefällt es hier sehr gut.

Zurück zu Eurem Beitrag zur Imagekampagne: Gibt eine Agglomerationsstadt wie Dietikon für ein Komikerduo etwas her?
Winkler: Wie wir es in einem Testimonial gesagt haben: Dietikon ist wie ein Ratatouille. Sehr viele verschiedene Menschen aus sehr vielen verschiedenen Kulturen leben hier. Das gibt alleweil Stoff genug für uns.

Ihr habt im Rahmen der Imagekampagne auch mehrere witzige Kurzvideos zu Dietikon gemacht. Wo kann man diese sehen?
Winkler: Auf der Website der Stadt, auf Youtube, auf Facebook und anderen Social-Media-Kanälen.

Die Zeit, während der Ihr keine Auftritte hattet, habt Ihr genutzt, um an einem neuen Programm zu arbeiten.
Winkler: Genau. Das neue Programm hatten wir eigentlich schon vor der Pandemie geplant. Es hätte im vergangenen Jahr im Dezember auf die Bühne kommen sollen. Aber nicht nur wegen des Coronavirus, sondern auch weil es eine so grosse Kiste ist, mussten wir es verschieben. Jetzt ist das neue Programm auf Dezember 2021 geplant. Das ist optimal – wir haben mehr Zeit, um daran zu arbeiten. Gerade haben wir mit einem Choreographen und drei Artisten geprobt. Ursprünglich hätten es acht Artisten sein sollen, dann waren es wegen Corona nur noch fünf und schliesslich nur noch drei. Christian war obendrein in Quarantäne und konnte nur via Zoom mitmachen. Das Arbeiten ist auch jetzt noch mühsam und schwierig.
Höhener: Das Programm heisst «Circus Lapsus Helveticus» und wird im kommenden Dezember in der Maag-Halle in Zürich aufgeführt. Es handelt sich dabei um eine Art Nouveau Cirque. Das ist für uns etwas Neues. Wir arbeiten mit jungen Schweizer Volksmusikern zusammen und internationalen Artisten. Wir als Lapsus steuern die Komik bei. Die Musiker haben alle noch eine Ausbildung in klassischer Musik und Jazz hinter sich, die Artisten haben schon mehrere Preise abgeräumt. Wir selber haben von Leuten aus Dietikon profitiert: Sie bringen uns das Alphornblasen und Fahnenschwingen bei; auch für eine Nummer mit Treichlen können wir von Know-how aus Dietikon profitieren. Diese bodenständig-internationale Kombination finden wir extrem spannend.

Wie viele Leute werden neben euch beiden beteiligt sein?
Winkler: Sieben Musiker und acht Artisten. Mit so vielen Leuten sind wir noch nie aufgetreten.

Wie viele Mal werdet Ihr das Programm spielen?
Höhener: Rund zwanzig Mal.

Wo kann man Tickets für die Aufführungen kaufen?
Höhener: Der Vorverkauf läuft über die Website
https://bymaag.ch/events/shows/. 

Kurzporträt
Christian Höhener und Peter Winkler lernten sich 1991 in der Dimitri-Schule in Verscio im Tessin kennen. Ihre erste Nummer war eine Schwingerparodie. Später entstanden ihre Figuren Theo Hitzig (Winkler) und Bruno Gschwind (Höhener). Einen grossen Schub erhielt ihre Karriere im Jahr 2007, als Lapsus mit dem Circus Knie auf Tour ging. Den Namen «Lapsus» für das Komikerduo hat übrigens ein Freund suggeriert. Er erkannte, dass viele Nummern von Höhener und Winkler auf Missgeschicken beruhen.

Höhener und Winkler treten im Fernsehen auf, am Arosa Humorfestival und auf den Theaterbühnen der Schweiz. 2015 tourten sie mit ihrer 20-Jahre-Jubiläumsshow in «Das Zelt» durch die Schweiz. Im Verlaufe der Jahre haben sie zudem ihre eigene Form von Unternehmenskomik entwickelt. 2017 feierten sie Premiere mit «On/Off», ihrem siebten verflixten Abendprogramm. Und jetzt, nach dem pandemiebedingtem Off, geht es wieder «Full-on»: Ab Dezember 2021 ist in der Maag-Halle in Zürich der «Circus Lapsus Helveticus» zu sehen; viel Artistik, Musik, Jodel und Freestyle-Folklore.

Höhener (52), ausgebildeter Lehrer, stammt aus Thal im St. Galler Rheintal, Winkler (53), gelernter Hochbauzeichner, aus Dietikon. Beide leben mit ihrer Familie einen Steinwurf voneinander entfernt im schönen Altbergquartier in Dietikon.

Interview: Martin Gollmer, Illustration: zVg