«Wir wollen den Frieden anstreben»

Seit gut 25 Jahren besteht der Verein Islamische Gemeinschaft Dietikon. Er pflegt mit einem vielfältigen Angebot für seine Mitglieder das Glaubensbekenntnis und die Kultur des Islam und versucht mit Offenheit zu Andersgläubigen Vorurteile gegenüber dem Islam abzubauen.

Angefangen hat es in den frühen 1960er-Jahren. Damals kamen die ersten Türken nach Dietikon. Bald schon suchten sie Lokalitäten, in denen sie sich treffen und ihren Glauben praktizieren konnten. Mit der Zeit wuchs das Bedürfnis, diese Zusammenkünfte zu formalisieren. Deshalb wurde 1995 die Islamische Gemeinschaft Dietikon gegründet. Über mehrere Stationen in Dietikon fand der Verein schliesslich eine definitive Bleibe in einer unscheinbaren Gewerbeliegenschaft an der Bergstrasse. Hier besteht auch eine kleine Moschee.

Heute gehören der Islamischen Gemeinschaft nicht mehr nur Türken an. Immer mehr träten ihr auch Albaner, Mazedonier oder Araber als Mitglieder bei, wie Ersin Tan, Präsident, und Cihan Gökgöz, Kommunikationsbeauftragter, bei einem Besuch des «Dietikers» an der Bergstrasse berichten. «Früher waren die Moscheen nach Nationalitäten organisiert, weil Muslime verschiedener Herkunft nicht die selbe Sprache hatten und einander deswegen nicht verstanden», erklärt Gökgöz. «Das ändert jetzt mit den Jungen, die nachkommen und in der Schweiz geboren sind.»

Mittlerweile zählt die Islamische Gemeinschaft rund 160 Familien als Mitglieder – «Tendenz steigend», wie Tan sagt. Jede Person dieser Familien zahlt einen Mitgliederbeitrag von 20 Franken pro Monat. «Das ist die Haupteinnahmequelle», erklärt der 58-jährige Tan, der in der Türkei geboren ist, die zweite Generation der Türken in der Schweiz repräsentiert und perfekt Schweizerdeutsch spricht. Dazu kommen noch Spenden und Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken und Esswaren in der Moschee. «Das reicht knapp, um die Rechnung der Gemeinschaft ausgeglichen zu halten», sagt Tan.

Schwierig, einen islamischen Verein zu führen
Vor Corona habe die Gemeinschaft auch noch zwei bis drei Feste pro Jahr durchgeführt, etwa, Wohltätigkeitsbazars, um Einnahmen zu generieren, erklärt Gökgöz. Da der Islam in der Schweiz keine vom Staat anerkannte Religion ist, erhält die Islamische Gemeinschaft keine Gelder von schweizerischen staatlichen Stellen. Sie kann sich deshalb auch keinen festangestellten Imam leisten. Diese Aufgabe übernehmen Freiwillige aus der Mitte der Gemeinschaft. Unter diesen Bedingungen sei es «wirklich schwierig, in der Schweiz einen islamischen Verein zu führen», sagt Gökgöz.

Die Angebote der Islamischen Gemeinschaft sind vielfältig. In der Moschee hält sie täglich fünf Gebete und mindestens einmal pro Tag eine Predigt ab. Für Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder bietet sie Korankurse an. Für Jugendliche und Kinder organisiert sie Freizeitaktivitäten wie Fussball spielen, Skifahren, Schlitteln oder auch mal ein Feriencamp. «Die Jugendlichen und Kinder sollen sich nicht langweilen und herumtreiben», sagt der 36-jährige Gökgöz, der in der Schweiz geboren ist, die dritte Generation der Türken hierzulande repräsentiert und ebenfalls perfekt Schweizerdeutsch redet. «Ziel der Aktivitäten ist es, die Jugendlichen und Kinder in das soziale Leben in Dietikon und in der Schweiz zu integrieren.» Für Kinder und auf Deutsch vermittelt die Gemeinschaft islamisches Religionswissen.

Die Islamische Gemeinschaft pflegt den Kontakt zu anderen Religionsgemeinschaften und Nicht-Muslimen in Dietikon. Sie ist Mitglied der Interreligiösen Dialoggruppe Dietikon (IDD), in der Christen und Muslime vereint sind und gemeinsam schauen, was sie vorwärtsbringen kann. In diesem Rahmen hat die Gemeinschaft beispielsweise am Herbstmarkt in Dietikon schon kulinarische islamische Spezialitäten angeboten. Schulklassen, Vereine und Personen jeglicher Glaubensrichtung sind nach Vereinbarung jederzeit für einen Moscheebesuch willkommen. Dabei werden auch Informationen über den Islam vermittelt. Einmal pro Jahr wird ein «Tag der offenen Moschee» durchgeführt.

Traurig wegen einseitiger Medien-Berichterstattung
Die Islamische Gemeinschaft pflegt einen gemässigten Islam. Islam als Wort heisse «Hingabe zum Schöpfer», erklärt Gökgöz. Im Wort enthalten sei zudem der Stamm «Selam», was «Frieden» bedeute. Ziel des Islam sei deshalb, «Frieden zu haben mit dem Schöpfer, mit sich selbst und mit der Umgebung». Muslime wollten «den Frieden anstreben» und dass andere Menschen sich in ihrer Nähe wohl und sicher fühlen.

Tan und Gökgöz sind «traurig», dass die Medien in der Schweiz fast nicht über diesen «Islam der Mitte» berichteten, dem die ganz grosse Mehrheit der Muslime nachlebe, sondern fast ausschliesslich über einen «Islam der Extreme», den wenige Burkaträgerinnen, Hassprediger und Terroristen pflegen. Das sei einseitig. Der «Generalverdacht», unter dem Muslime deshalb stünden, sei für diese «schon belastend», sagt Gökgöz. Sie müssten sich immer zuerst als friedlich ausweisen und von den Hasspredigern und Terroristen distanzieren.

Anfeindungen von Menschen anderer Glaubensrichtungen erleben Tan und Gökgöz aber deswegen nur selten, wie sie berichten. Das hange indessen auch damit zusammen, dass sie als Männer keine offensichtlichen Islam-Symbole tragen, erklärt Gökgöz. Muslima würden dagegen öfters angefeindet, besonders wenn sie auch noch ein Kopftuch aufhaben. 

Ersin Tan (oben) und Cihan Gökgöz (unten) von der Islamischen Gemeinschaft.

Text und Fotos: Martin Gollmer