«Ich möchte einen roten Faden spüren»

Die Schule Dietikon hat sich für die Legislaturperiode 2018 bis 2022 anspruchsvolle Ziele gegeben. Reto Siegrist, Schulvorstand der Stadt Dietikon und Mitglied der CVP, erläutert sie im Interview mit dem «dietiker» und erklärt, was seine persönliche Ambition ist.

 

dietiker: Herr Siegrist, wie gross ist die Schule Dietikon?

Reto Siegrist: Die Schule Dietikon zählt über 3000 Kinder und Jugendliche und knapp 400 Lehrkräfte und andere Mitarbeitende. Insgesamt werden 160 Klassen in fünf Schuleinheiten geführt. Das Budget für 2019 beträgt 54,7 Mio. Millionen Franken. Die Schule Dietikon ist damit eine der grössten Schulen im Kanton Zürich. Lassen Sie mich hier noch Folgendes anfügen: Unsere Lehrkräfte, die Schulverwaltung, Hauswarte und alle anderen Mitarbeitenden der Schule Dietikon machen einen tollen Job! Danke für den Einsatz zugunsten unserer Jugend!

 

dietiker: Vor welchen Herausforderungen steht die Schule Dietikon?

Reto Siegrist: Eine unserer Herausforderungen ist, dass wir eine Agglomerationsgemeinde sind, in der multikulturelle Verhältnisse herrschen mit einem hohen Anteil verschiedenster Nationalitäten und Sprachen unter den Schülerinnen und Schülern. Da ist es nicht immer einfach, einen funktionierenden Klassenverband zu formieren. Eine zweite Herausforderung ist, dass die Kinder mit immer mehr Defiziten in die Schule kommen. Wenn man diese Defizite beheben will, braucht es Unterstützung durch speziell ausgebildetes Personal – etwa Heilpädagogen, Logopäden, Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache usw. Eine dritte Herausforderung ist die Infrastruktur. Wir wollen den bisherigen Schulraum aktualisieren/renovieren und weiter Schulraum schaffen, dort, wo die Kinder und Jugendlichen zu Hause sind. So braucht es dringend Schulraum im Quartier Limmatfeld und zu einem späteren Zeitpunkt im Niderfeld.

 

dietiker: Wie sind diese Herausforderungen ins Legislaturprogramm 2018 bis 2022 der Schule Dietikon eingeflossen?

Reto Siegrist: Die Schulpflege ist im vergangenen Jahr zusammen mit den Schulleitungen in eine eineinhalbtägige Klausur gegangen, hat zusammengetragen, was gut ist an der Schule Dietikon und wo es noch Defizite gibt und daraus acht Legislaturziele definiert. Dabei wurden auch zu den von mir eben erwähnten Herausforderungen Ziele formuliert.

 

dietiker: Zu den Zielen gehört die Schaffung von genug zeitgemässem Schulraum. Was ist alles geplant?

Reto Siegrist: Meine Vorgänger im Stadtrat haben eine Schulraumplanung gemacht. Dabei haben sie sich auf eine Prognose des Volksschulamtes abgestützt, die besagt, dass in Dietikon bis 2027 die Zahl der schulpflichtigen Kinder dreissig Prozent wachsen wird – das sind 680 Kinder mehr. Das führt dazu, dass man die bestehenden Schulhäuser überprüfen muss. Diese stammen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren und sind alle in einem Zustand, wo grössere Renovationen anstehen. Dazu kommt der Bau von zwei neuen Schulhäusern, einerseits im Limmatfeld – dieses Schulhaus möchten wir aufgrund des Flurnamens am geplanten Standort Stierenmatt nennen – und andererseits im Niderfeld. Alles in allem rechnen wir mit einem Investitionsvolumen von gegen 200 Millionen Franken.

 

dietiker: Dazu müssen Sie in Zukunft wohl mehrmals vors Volk mit Schulhausvorlagen?

Reto Siegrist: Jede Einzelausgabe von mehr als zwei Millionen Franken muss von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern genehmigt werden. Vielleicht wird uns das Volk auch einen Rahmenkredit geben. Aber ja, das Volk wird sicher einige Male über Geld zugunsten von Schulraum abstimmen müssen.

 

dietiker: Wie wollen Sie das Volk überzeugen, dass dieser Schulraum notwendig ist?

Reto Siegrist: Dazu haben wir ebenfalls ein Legislaturziel formuliert. Es heisst, dass die Schule proaktiv, klar und regelmässig kommuniziert. Dabei wollen wir mit positiven Botschaften auffallen, informieren, was die Schule Gutes tut, und hoffen, negative Nachrichten vermeiden zu können.

 

dietiker: Ein weiteres Legislaturziel ist die Digitalisierung der Schule Dietikon. Wo stehen Sie da?

Reto Siegrist: Es geht darum, zunächst den Lehrkräften und dann den Kindern und Jugendlichen den Umgang mit der heutigen Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) beizubringen. Zudem kann ich mir auch vorstellen, dass Dietikon eine Schul-App lanciert. Damit könnten die Schulleitungen mit den Lehrkräften und diese mit den Kindern und ihren Eltern kommunizieren.

 

dietiker: Wie weit ist eine ICT-Infrastruktur schon an der Schule Dietikon vorhanden?

Reto Siegrist: Die Schule Dietikon ist gut ausgestattet. Schon seit ungefähr zehn Jahren wird mit Computern und Programmen der Umgang mit den digitalen Medien trainiert.

 

dietiker: Dass beide Elternteile arbeiten, ist heute an der Tagesordnung. Sie haben sich deshalb das Legislaturziel gesetzt, etappenweise Tagesschulen zu schaffen.

Reto Siegrist: Die Wirtschaft schreit nach Lösungen für den Fachkräftemangel. Gleichzeitig haben viele Frauen eine gute Ausbildung, stehen der Wirtschaft aber nicht oder nur teilweise zur Verfügung, weil sie mit der Kinderbetreuung beschäftigt sind. Mit der Schaffung von Tagesschulen für die Kinder geben wir solchen Frauen die Möglichkeit, ins Berufsleben einzusteigen oder ein höheres Arbeitspensum zu leisten. Tagesschulen kann man gut einführen, wenn man neue Schulhäuser baut. Wir haben die Ambition, mit der Schaffung von Schulraum im Limmatfeld eine Tagesschule einzurichten. Tagesstrukturen für Kinder werden im Übrigen in Dietikon schon heute flächendeckend angeboten. Es gibt Horte für Kinder ab vier Jahren mit Morgen und Mittagessen sowie verschiedene Betreuungsangebote.

 

dietiker: Sie haben sich auch das Ziel Frühförderung gesetzt für Kinder, die beim Schuleintritt noch nicht so weit sind, wie sie sein sollten. Was machen Sie da?

Reto Siegrist: Studien haben festgestellt, dass Kinder, die mit vier Jahren nicht den für den Kindergarten- und Schuleintritt notwendigen Stand haben, diese Defizite über die ganze elfjährige Schulzeit mitnehmen. Das ist fatal. Wir laden deshalb in Dietikon die Eltern zwei Jahre und ein Jahr vor Kindergarteneintritt zu zwei Anlässen ein, um ihnen zu zeigen, wie sie ihre Kinder im Tagesablauf fördern können – etwa dass man ihnen das Zählen beibringt, wenn man bei einem Spaziergang einen Schwan mit seinen fünf Jungen sieht. Auch hat die Stadt eine 20-Prozent-Stelle geschaffen, bei der sich Eltern über spezifische Angebote für den Frühbereich ihrer Kinder erkundigen können. Diese Koordinations- und Anlaufstelle befindet sich in der Freizeitanlage Chrüzacher.

 

dietiker: Zusammen mit dieser Frühförderung haben Sie sich auch die Elternbildung vorgenommen. Was ist damit gemeint?

Reto Siegrist: Vor kurzem konnte ich die Eltern begrüssen, deren Kinder vor dem Kindergarten- oder Schuleintritt stehen. Dabei habe ich festgestellt, dass in dieser bunten Schar ganz unterschiedliche Vorstellungen zur Schule vorhanden sind. Mit der Elternbildung wollen wir vermitteln, welche Werte, Aufgaben und Ziele die Schule Dietikon hat und wie den Kindern zu einer erfolgreichen Schulzeit verholfen werden kann.

 

dietiker: Eine gute Schule braucht gute Lehrkräfte. Gelingt es der Schule Dietikon gut, solche Personen zu finden?

Reto Siegrist: Der Lehrerberuf ist attraktiv, und deshalb lassen sich wieder mehr Frauen und Männer zur Lehrkraft ausbilden. Es ist aber zurzeit sehr schwierig, Kindergartenlehrpersonen zu finden. Wir müssen nicht nur schauen, dass wir Lehrkräfte anstellen können, sondern auch, dass sie bei uns bleiben. Dazu müssen wir ein attraktiver Arbeitgeber sein…

 

dietiker: …das ist auch ein Legislaturziel…

Reto Siegrist: …genau. Wir können dabei aber nicht alles selber entscheiden. Die Löhne etwa sind vom Kanton vorgegeben. Das ist aber genau ein Thema bei den Kindergärtner/innen, die klar weniger verdienen als Primarlehrer/innen auf der nächsten Schulstufe. Ebenfalls schwierig ist es, Fachkräfte für die Schule zu finden – etwa Heilpädagogen zur Betreuung von Kindern mit Defiziten.

 

dietiker: Welche Ambition haben Sie persönlich mit der Schule Dietikon?

Reto Siegrist: Meine Ambition ist, dass die Schule Dietikon eine gewisse Homogenität aufweist, egal ob ein Kind nun in der Schuleinheit Fondli oder Luberzen unterrichtet wird. Homogenität verordnen, kommt aber nicht gut an. Dennoch möchte ich einen roten Faden in der Schule spüren, so dass man die Prägung Dietikon merken kann. Gleichzeitig sollte jede Schuleinheit auch eine gewisse Individualität leben können. So lernen etwa alle Kinder, die im Steinmürli zur Schule gehen, Mundharmonika spielen. Oder das Luberzen hat einen Zeichnungslehrer, der mit den Schülerinnen und Schülern das Schulhaus verschönert. Und im Zentral werden zwei Bläserklassen geführt. Solche Sachen sollen gelebt werden können. Individualität in der Einheit ist mein Thema.

 

 

 

Text: Martin Gollmer, Foto: dietiker ML